Das Jahr 2022 ist das Jahr der Homecomputer Jubiläen: Wie bereits berichtet wird ATARI 50 Jahre alt, der C64 wurde vor 40 Jahren (1982) der Öffentlichkeit vorgestellt. Parallel dazu erblickte der Sinclair ZX Spectrum im gleichen Jahr in England das Licht der Welt und das Video Game System Vectrex feiert 2022 ebenfalls sein 40 jähriges Jubiläum.
Jedoch sollte man dabei ganz sicher ein Jubiläum nicht vergessen, nämlich das erste kommerzielle Videospiel überhaupt, das 1972 vom amerikanischen Fernsehhersteller Magnavox zusammen mit der ersten Heimvideospielkonsole Odyssey veröffentlicht wurde und was wir heute unter dem Namen Pong kennen.
Viele verbinden Pong ja eigentlich mit Atari’s Anfängen, als das junge Unternehmen in Kalifornien den ersten Spielautomaten in einer Spielhalle aufstellte und der Legende nach das Gerät ausfiel, weil der Münzspeicher überlief.
Der eigentliche Erfinder von Pong ist jedoch ein anderer: Ralph Baer entwickelte bereits ab 1967 einen Prototypen eines Tischtennis ähnlichen Ping-Pong Spiels für den handelsüblichen Fernseher. Er nannte seine Spielkonsole „Brown Box“, wegen dessen Holzoptik. Er entwickelte das Gerät vollständig auf Dioden-Transistor-Logik mit preisgünstigen diskreten Bauelementen, um das mögliche Endprodukt günstig und für das durchschnittliche Haushaltsbudget erschwinglich zu machen.
Ralph Baer wurde 1922 in Deutschland geboren und wuchs in Pirmasens auf, bis er im Alter von 16 Jahren mit seinen Eltern wegen ihrer jüdischen Abstammung 1938 in die USA emigrieren musste. Dort arbeitete er ab 1955 bei einem Militärzulieferer. Später kam ihm die Idee, dass man mit den vielen TV-Geräten in den Haushalten doch noch was anderes anfangen können musste, als nur fernsehen. Deshalb entwickelte er ein Gerät, mit dem erstmals eine Interaktion mit dem Fernseher möglich war. Daraus entstand das Prinzip einer Spielkonsole mit zwei Controllern, wo zwei Spieler bei einem Ping-Pong Spiel gegeneinander antreten konnten. Das Spielprinzip basiert auf dem bereits 1958 für einen Analogcomputer entwickelten „Tennis for two“, bei dem ein Oszilloskop als Bildschirm diente. Ralph Baers Spiel bestand lediglich aus zwei größeren Quadraten, die als Schläger dienten, einem kleineren Quadrat als Ball und einer senkrechten Linie in der Mitte des Bildschirms als Netz.
Mit dem Controller konnte man den Schläger horizontal und vertikal bewegen, indem zwei Drehregler mit Potentiometer gedreht wurden. Weiterhin gab es einen dritten Regler, der den Spin des Balles verändern konnte und einen Reset Knopf. Baer entwickelte die Konsole zusammen mit dem Fernsehhersteller Magnavox zur Produktreife. 1972 schließlich wurde die Odyssee genannte Spielkonsole auf den Markt gebracht. Neben dem Tischtennis-Spiel beinhaltete die Konsole noch 11 weitere Spiele nach dem gleichen Prinzip, die über sogenannte Drahtbrückenkarten (den Vorläufern der späteren Spielmodule) gewechselt werden konnten. Weiterhin gab es bereits auch ein Lichtgewehr, mit dem ein sog. Tontaubenschießen gespielt werden konnte.
Bei einer der ersten Präsentationen der Spielkonsole war auch Nolan Bushnell, der Gründer von Atari anwesend, der so begeistert von der Spielidee war, dass er das Tischtennisspiel abkupferte und als PONG für seinen ersten Arcade Spielautomaten umsetzte. Dies führte auch wegen der späteren Atari Home-Pong Video-Spielkonsole zu einem Patentstreit zwischen Magnavox und Atari, an dessen Ende man sich auf einen Vergleich einigte.
Die Magnavox Odyssee wurde in Deutschland in Lizenz von ITT Schaub Lorenz verkauft. Somit ist Pong auch das erste weltweit bekannte Telespiel. Später überschwemmten viele Nachbauten den Markt, die dann bereits auf IC-Basis entwickelt waren. In meiner Sammlung habe ich ein Universum Multi-Spiel Color 4106 vom ehemaligen Versandhaus Quelle in Fürth mit einem IC AY-3-8500 von General Instrument Corporation, der ab 1976 produziert wurde und insgesamt 5 Pong Spiele und zwei Schießspiele beinhaltete. Dieser Chip wurde auch in vielen anderen Clones verbaut. Somit zogen bis Ende der 1970er Jahre bereits viele Videospielkonsolen in die heimischen Wohnzimmer ein.
Ab 1977 gab es in Deutschland sogar eine eigene TV-Spielshow auf Basis von Pong mit dem passenden Namen „Telespiele“, die vom SWR ausgestrahlt wurde. Die Umsetzung war sehr witzig gemacht, weil die Zuschauer im Saal mit der Stimme die Paddles beim Pong Spiel bewegen mussten. Moderator war der junge und damals noch weitgehend unbekannte Thomas Gottschalk, der später mit seiner eigenen Musik-Talkshow „Na sowas“ durchstartete und mit „Wetten dass …“ endgültig Kultstatus als TV-Entertainer erlangte.
Der Boom von Pong hielt jedoch nicht lange an, weil das Spielprinzip doch sehr trivial war. Atari spürte das schnell an stark nachlassenden Umsätzen in den Spielhallen. Inzwischen wurde jedoch der Atari Mitarbeiter Steve Jobs damit beauftragt ein neues Spiel zu entwickeln. Er nahm sich dafür seinen Freund Steve Wozniak zur Unterstützung, der der viel talentiertere Programmierer war. Es entstand das Spiel Breakout. Im Grunde ein One-Player Pong, bei dem man mit seinem Paddle und einem Ball eine Mauer aus farbigen Steinen abschießen musste. Der nächste Spielhallenklassiker war geboren.
Nolan Bushnell von Atari erkannte am besten das Potenzial von Videospielen für den Heimgebrauch. Der Nachfolger der Home-Pong Konsole wurde dann das inzwischen legendäre Atari VCS 2600 mit Farbgrafik, Sound und wechselbaren Modulen. Mit dem Spiel Space Invaders fing der Boom der Konsolen ende der 1970er Jahre dann richtig an und begründete in den folgenden 30 Jahren den heutigen milliardenschweren Spielemarkt.
Ralph Baer hatte daran entscheidenden Anteil mit seiner Idee den heimischen Fernseher für Video-Spiele zu nutzen. Er entwickelte übrigens später eine weitere legendäre Spielidee: SENSO von Milton Bradley (MB), war ein Gedächtnis- und Geschicklichkeitsspiel, bei dem man eine immer länger werdende Folge von vier Farben und Tönen nachspielen musste.