Acorn Risc PC600: „No RISC – No Fun!“

Mein Acorn Risc PC600 mit 15″ Sony Multisync VGA Röhrenbildschirm

Spricht man heute über die Anfänge der Mikrocomputer-Ära ab Ende der 1970er Jahre auf der britischen Insel, dann darf ein Name nicht fehlen: Acorn. Und dennoch sagt dieser Name heute vielen, gerade jüngeren Leuten, nichts mehr und das obwohl sie jeden Tag sicher x-Mal Technik in der Hand halten, deren Ursprung auf diesen Computerhersteller zurückgeht.

RISC OS 3.5 Desktop mit Beispiel Video

Acorn wurde oft als das „Britische Apple Inc.“ bezeichnet, da das Unternehmen für viele technische Innovationen und gutes Produktdesign stand. Die Produkte waren oft auch technisch fortschrittlicher als die kommerziell erfolgreichere Konkurrenz aus den USA.

Um jedoch zu verstehen, warum mein Acorn Risc PC600 ein besonderes Stück Computergeschichte ist, müssen wir die Umstände kennen wie es dazu kam. Denn alleine die technischen Spezifikationen aufzulisten, wird dem Computer nicht gerecht. Lasst euch also mitnehmen auf eine spannende Reise eines spannenden Computers.

Die Geschichte von Acorn

Es ranken sich ja viele Mythen und Geschichten um die berühmte Konkurrenz zwischen Sinclair und Acorn, den beiden bekanntesten britischen Computerherstellern der 80er Jahre. Chris Curry, einer der späteren Gründer von Acorn, war schon viele Jahre bei Sinclair Radionics beschäftigt und enger Vertrauter von Sir Clive Sinclair (1940 geboren, 1983 von Queen Elisabeth II in den Ritterstand erhoben, gestorben 2021).
Sinclair gründete bereits 1961 seine erste Firma, mit der er HiFi-Geräte produzierte und später auch Taschenrechner. Nach dem internen Wechsel von Curry zu Sinclair Instruments (später: Science of Cambridge Ltd.) war er dort unter anderem an der Entwicklung des ersten kleinen und günstigen Microprocessor Bausatzes, dem MK14, beteiligt, der gute Verkaufszahlen erziehlte. Angespornt von dessen ersten Erfolg, sollten weitere Computer entstehen. Jedoch hatten beide unterschiedliche Philosophien und Erwartungen, was die Entwicklung von Microcomputern betraf. Deshalb verließ Curry die Firma Sinclair, um mit Hermann Hauser und einem Team von Informatik Studenten und Microcomputer Enthusiasten in Cambridge 1979 die Firma Acorn zu gründen. Clive Sinclair hat Curry diesen Schritt lange Zeit nicht verziehen und von da an wurden sie zu harten Konkurrenten.

The BBC Computer Literacy Project

Anfang der 1980er Jahre bewarben sich unter anderem diese beiden Firmen, für eine Ausschreibung der BBC (British Broadcasting Corporation), die einen 8-Bit Lerncomputer für ihre Fernsehreihe „The Computer Programme“ suchten. Man erkannte in England damals die wachsende Bedeutung von Computern und die Wichtigkeit zur Vermittlung von Computer Know How in der breiten Gesellschaft. Acorn ging mit dem brandneuen Tastaturcomputer „Proton“, den sie als Nachfolger des „Atom“ vorgesehen hatten, ins Rennen und bekam prompt den Zuschlag. Ein Highlight dieses Computers war der eigens entwickelte offene Systembus, genannt „Tube„, mit dem es möglich war einen zweiten Prozessor zu betreiben. Der Computer wurde dann offiziell als Acorn BBC Micro vermarktet.

Zu dieser und anderer Geschichten kann ich übrigens den Film „Micro Men“ auf Youtube sehr empfehlen, der die Historie der beiden Firmen nochmals spannend zum Leben erweckt. Jedenfalls sollte dieser 8-Bit Computer durch den BBC-Deal den endgültigen Durchbruch für die Firma Acorn bedeuten. Fortan waren Acorn Computer vor allem an den Schulen auf der britischen Insel weit verbreitet.

Keep it simple

Irgendwann wurde man bei Acorn auf die ersten Computer mit grafischer Desktopoberfläche und Mausbedienung – wie dem Apple Lisa und dem Xerox Star – aufmerksam und erkannte schnell das Potential dahinter. Außerdem sollte die nächste Rechner Generation bereits eine 32-Bit CPU besitzen. Jedoch waren die genannten Vorbilder von Apple und Xerox noch verdammt teuer und besaßen ein komplexes Rechnerdesign. Kein Weg also, die es einem immer noch recht kleinem Computerhersteller, wie Acorn ermöglichen würde ein 32-Bit System mit Mausbedienung zu entwickeln. Leider entsprach auch keiner der auf dem Markt verfügbaren CPU’s den Erwartungen, da diese nicht den benötigten Leistungssprung – vor allem bei der Echtzeitverarbeitung – gegenüber 8-Bit CPUs boten. Stattdessen wäre es notwendig gewesen viele Funktionen mit zusätzlichen Chips umzusetzen. Das hätte das Design des neuen Computers komplexer und damit teurer gemacht.

Man entschloss sich deshalb ab 1983 eine eigene 32-Bit CPU zu entwickeln, die dem Grundprinzip, „Keep it simple“ – viel Leistung für möglichst wenig Geld, folgen sollte. Dieses Grundprinzip geht auf die eigentlichen Chefentwickler Steve Furber und Sophie Wilson zurück, die mit den vorhandenen Chipdesigns anderer Hersteller für ihren eigenen Computer nicht zufrieden waren. Daneben wurde auch der Slogan „MIPS for the masses“ kreiert, der ebenfalls zeigen sollte, dass man möglichst viel Leistung zum kleinen Preis in einen Chip packen wollte. Darüber hinaus sollte die neue CPU mit einem günstigen Plastikgehäuse und ohne Lüfter auskommen, da das ebenfalls Kosten sparte. Somit musste man von Grund auf einen neuen Prozessor entwickeln und ihn von Anfang an konsequent auf das Stromsparen trimmen.

No RISC – no fun!

Basierten die meisten bisherigen CPUs auf dem sogenannten CISC (Complex Instruction Set Computer) Ansatz, bei dem – einfach gesprochen – möglichst viele Befehle in die CPU gepackt werden, handelt es sich bei Acorn’s Neuentwicklung um eine sogenannte RISC CPU. Da man bei Acorn nicht die riesigen Entwicklungsressourcen zur Verfügung hatte, wie etablierte Chipgiganten und die Entwicklungszeit auch sehr begrenzt war, entschied man sich schließlich für dieses einfachere Chipdesign.

RISC steht für Reduced Instruction Set Computer. Einfach ausgedrückt: Man verfolgt hierbei das Prinzip eines reduzierten Befehlssatz, was sich wiederum positiv auf die Verarbeitungsgeschwindigkeit auswirkt. Durch den reduzierten Befehlssatz bleibt mehr Platz für Register, wodurch mehr schnelle Register zu Register Operationen möglich werden, anstatt langsamer Speicher zu Register. RISC hatte bis dahin zwar bereits eine lange Entwicklungsgeschichte, denn es fand schon in ersten Supercomputern der 60er Jahre ihren Einsatz, aber erst durch das Berkley RISC und Stanford MIPS Projekt in den 70er/80er Jahren wurde es populär und führte zu neuen Prozessordesigns. Bekannteste Vertreter sind hier DEC Alpha, SPARC, HP PA-RISC, RISC-V oder Intel i860. Acorn griff dieses Konzept für die Entwicklung einer eigenen 32-Bit Desktop-CPU auf, um sie erstmals auch in günstigeren Microcomputern zu verbauen. Sie nannten sie „Acorn RISC Machine„, abgekürzt ARM. In einem Interview von 2015 erklärt Sophie Wilson rückblickend die Besonderheiten des Prozessordesigns folgendermaßen: Eigentlich müsste es heißen „Reduced Instruction Complexity Set Computer“, denn es bedeutet ja nicht, dass die CPU weniger Instruktionen verarbeitet, ganz im Gegenteil, lediglich die Komplexität der Instruktionen wurde reduziert. Man erkannte nämlich, dass nur etwa 20% der Instructions herkömmlicher Prozessoren häufig benutzt werden. Als Beispiel nennt sie den Verzicht auf eine Devider Funktion, die nicht so häufig benutzt wird und die leicht durch die Kombination einiger anderer Instruktionen ersetzt werden konnte.

Sophie Wilson präsentiert ein kleines Programmbeispiel am Acorn RiscPC und erzählt über die Suche nach einem neuen Prozessor Design Anfang der 1980er Jahre

ARM heute

Aber Moment mal! ARM? Sind das nicht die Prozessoren in modernen Smartphones? Das ist völlig richtig! Die Ursprünge moderner Smartphone CPUs gehen tatsächlich auf die Entwicklung von Acorn zurück. Allerdings stand die Abkürzung ARM später erst für „Advanced RISC Machine“ und mittlerweile heißt das Unternehmen einfach nur noch „arm“ (kleingeschrieben) und liefert entsprechende Prozessordesigns, die inzwischen von vielen verschiedenen Herstellern lizenziert werden, um sie in eigenen CPU’s zu verwenden. Sie sind quasi die Fortentwicklung der ursprünglich von Acorn ins Leben gerufenen ersten ARM Prozessoren. Heute werden ARM Prozessoren in vielen Varianten hergestellt und in Milliarden von Geräten eingesetzt, angefangen von Smartphones, über Echtzeitanwendungen im Automobilbereich bis hin zu Servern und als Apple M1/M2 Prozessor in den High End Modellen des Macbook Pro.

Apple war übrigens einer der Ersten, der das Potenzial der ARM CPU’s – vor allem wegen des geringen Stromverbrauchs – erkannte und beteiligte sich bereits ab den späten 1980er Jahren an der nun in einem Joint Venture mit Acorn, Apple und VLSI Inc. ausgegliederten CPU-Sparte von Acorn. Extra für diesen Deal mit Apple trennte man die ARM Prozessorsparte von Acorn, da Apple keine Zusammenarbeit mit einem direkten Computer Konkurrenten wünschte. Apple und Acorn beteiligten sich dann mit jeweils 43 Prozent an ARM. Zuerst setzte Apple ARM Chips im PDA Apple Newton ein, der aber nur mäßigen Erfolg hatte. Den Durchbruch schaffte Apple erst viel später – nach der Rückkehr von Steve Jobs – mit dem iPod, in dem ein Dual-Core ARM mit 90 MHz werkelte. Übrigens: Die im Apple Newton anfänglich verbaute CPU war ein ARM610 mit 20 MHz und unterscheidet sich von der in meinem RiscPC nur in der Taktfrequenz.

Eine kleine Himbeere erobert die Welt

Um den Kreis zu schließen: Vor 10 Jahren entwickelte eine Stiftung aus Cambridge einen kleinen, günstigen Einplatinencomputer für Schulklassen, den sie den niedlichen Namen „Raspberry Pi“ gaben. Auch dieser kleine Lerncomputer wird von einem ARM Prozessor angetrieben, der von der Firma Broadcom hergestellt wird und auf dem unter anderem Linux oder RISC OS Open als Betriebssystem laufen. Mittlerweile (Stand: Februar 2022) wurden von der kleinen Himbeere bereits mehr als 45 Millionen Stück unterschiedlicher Modellvarianten verkauft. Damit ist der Raspberry Pi der meistverkaufte britische Computer.

Raspberry Pi 400 mit RISC OS Open

Acorn Archimedes

Aber zurück zu den Anfängen: Jedenfalls verliefen erste interne Tests mit dem Prototyp ARMv1 (4 MHz), der federführend von Steve Furber und Sophie Wilson entwickelt wurde, so erfolgreich, dass man beschloss das Serienmodell ARMv2 (ARM2 und ARM3) ab 1987 in die neue Produktreihe Archimedes zu verbauen und direkt mit 8 MHz zu takten. Tests ergaben, dass diese Rechner bei praktisch gleicher Taktfrequenz mit damals unglaublichen 4 MIPS etwa viermal schneller waren als die Konkurrenten Sinclair QL, Commodore Amiga und Atari ST mit Motorola-68000-Prozessor. Zusätzlich zeichnete sich der Prozessor durch eine wesentlich geringere Stromaufnahme aus. Sophie Wilson erklärt dazu im Interview: Die Acorn Archimedes waren seiner Zeit die schnellsten Rechner im Mikrocomputer Markt. Erst viel später, als Intel den Pentium I Prozessor auf den Markt brachte, konnte die Konkurrenz Acorn etwas entgegensetzen – allerdings hatte der Pentium Chip eine fürchterlich hohe Leistungsaufnahme verglichen mit dem ARM Prozessor.

Acorn Archimedes A3010 in der deutschen Variante mit deutschem Tastaturlayout

Für die späteren günstigeren Modelle Archimedes A3010/3020 entwickelte man quasi nebenbei noch den weltweit ersten SoC (System on a Chip), indem man den Memory-, IO- und Video-Controller mit in den Prozessor integrierte und dadurch weitere Kosteneinsparungen vornehmen konnte.

Roger (Sophie Wilson) im BBC Interview 1987 stellt das RISC Prinzip der ersten Acorn Archimedes Reihe vor.

Mein RiscPC

Die Weiterentwicklung ARM610 (ARMv3) mit 30 MHz Taktfrequenz ist schließlich das Herzstück meines Acorn Risc PC600, einer ab 1994 auf dem Markt verfügbaren Desktop Computerserie, der in Deutschland mit 4 MB RAM und 210 MB Festplatte für 2.999 DM verkauft wurde. Mein Computer ist ein sehr frühes Modell mit niedriger Seriennummer und ist in fast Neuzustand mit allem Zubehör und Originalkarton bei mir gelandet. Der PC 600 ist wirklich ein schicker, kompakter Desktop-Computer mit einigen Highlights, die ich euch hier etwas näher vorstellen möchte.

Das Gehäuse

Mehrere Gehäuserahmen können übereinandergesteckt werden, um Platz für Erweiterungen zu schaffen.

Fangen wir mal bei den offensichtlichen äußeren Highlights an: Das Gehäuse bietet in der Grundausstattung neben dem 3,5″ Diskettenlaufwerk nur noch Platz für ein 5,25″ Laufwerk. Jedoch lässt sich das Gehäuse sehr innovativ erweitern, indem es modular mit stapelbaren Rahmen (Slices) vergrößert werden kann. Setzt man also weitere Rahmen oben drauf, können somit weitere Laufwerke und Steckkarten hinzugefügt werden. Außerdem benötigt man zum Öffnen des Gehäuses kein Werkzeug. Stattdessen wird es mit Bolzen zusammengehalten, die man durch eine Vierteldrehung per Hand leicht öffnen kann. Dieses sehr revolutionäre Gehäusedesign wurde übrigens von „Cambridge Product Design“ entworfen, die bereits länger mit Acorn zusammenarbeiteten und vorher bereits die Gehäuse für den BBC Micro und Electron entwarfen.

Das Herzstück, die CPU

ARM610 CPU Card

Nimmt man den oberen Deckel ab, eröffnen sich weitere Besonderheiten. Die CPU zum Beispiel ist nicht, wie bei anderen PCs üblich, auf dem Mainboard montiert, sondern steckt hochkant als kleine Steckkarte in einem Prozessor-Steckplatz. Daneben ist Platz für eine zweite Prozessorkarte, in die man eine 486 SX/DX kompatible CPU Erweiterung stecken kann. Somit lässt sich parallel sowohl ein RISC und ein x86 (CISC) System betreiben. Es können jedoch auch mehrere RISC CPUs parallel installiert werden. Ebenfalls lässt sie sich gegen ein performanteres Modell tauschen. Dieses modulare CPU-Design macht den Acorn RiscPC enorm flexibel, was man so höchstens von vielfach teureren Workstations kennt. Möglich machte dieses Multi-Prozessor-Design übrigens eine eigens dafür entwickelte Schnittstelle, genannt „Tube“, die bereits beim BBC Micro eingeführt wurde. Einige Jahre später (1997) wurde in Kooperation mit der Firma DEC die StrongARM CPU, das Flaggschiff für RiscPCs, veröffentlicht, die auch dem PC 600 als Upgrade zur Verfügung stand und mit ihren 230 MIPS ein echter 486er und Pentium Killer war.

Mich reizt es jedenfalls den Rechner demnächst auch mit einer Intel 486er PC Card auszustatten, um z.B. Windows 95 in einem Fenster unter RISC OS auszuführen – nur um zu sehen, das es geht. Eine 486er CPU hab ich ja hier noch rumliegen. Und wenn man diese im Größenvergleich mit dem ARM Prozessor nebeneinander legt, dann wird allein schon äußerlich deutlich, was ARM für ein revolutionäres Prozessordesign ist. Die ARM610 CPU 30 MHz (26 MIPS) mit 4 kB Cache und integrierter MMU kommt da eher unscheinbar daher. Die kleinen Ausmaße des Die’s waren auch deshalb möglich, weil der Prozessor kaum Wärme entwickelt. Dagegen wird die 486er CPU schon nach wenigen Sekunden fürchterlich heiß und benötigt daher zusätzlich eine aktive Kühlung. Einen Prozessorlüfter braucht man beim ARM dagegen überhaupt nicht. Acorn bewies der Welt damit eindrucksvoll, was effizientes Prozessordesign ist!

Links zwei 486er CPU’s und rechts die Prozessorkarte ARM610 mit dem ARM Prozessor in der Mitte.

Ohne NIC

Ein Netzwerkanschluss fehlt in meiner Basisausstattung zwar, kann aber als sogenannte Huckepack Steckkarte auf das Mainboard nachgerüstet werden. Es gibt hier unterschiedliche Varianten für 10-Base2 (BNC) und/oder 10-BaseT (RJ45). Weiterhin befindet sich auf dem Mainboard noch eine sogenannte Riser-Card mit zwei Steckplätzen für weitere Erweiterungen – bei Acorn Podules genannt – z.B. für eine SCSI-Karte.

Speicher

In der Mitte steckt ein 4MB EDO RAM Modul. Rechts ist Platz für ein weiteres RAM Modul. Links der (noch) leere Steckplatz für die Video-Speichererweiterung.

Neben den beiden EDO SIMM Steckplätzen für bis zu 256 MB RAM befindet sich noch ein weiterer für ein VRAM-Modul. Damit lässt sich der VGA-Grafikspeicher flexibel um 1 oder 2 MB erweitern, um so eine höhere Grafik-Auflösung und Farbtiefe zu erhalten, was gerade beim Anschluss von modernen VGA-Bildschirmen sehr zu empfehlen ist. Weiterhin ist im Gehäuse eine 3,5″ IDE-Festplatte von Conner mit 210 MB Kapazität verbaut.

Grafisches Betriebssystem

Die beiden RISC OS 3.50 ROM Module

Zum Lieferumfang gehört das Betriebssystem RISC OS in Version 3.5. Sehr ungewöhnlich dabei ist, dass es aus zwei ROM-Modulen besteht, die gesockelt auf dem Mainboard stecken. Eigentlich ist es spätestens seit dem IBM PC üblich das Betriebssystem komplett von der Festplatte oder Diskette zu laden. Der Vorteil des Betriebssystems im ROM ist zwar ein schnellerer Bootvorgang, dafür lässt es sich nicht so ohne weiteres auf eine neue Version upgraden, denn dafür müssen die ROM Module ersetzt werden. In der bei meinem Computer verbauten Original-Version 3.5 sind auch leider einige Bugs enthalten und es fehlt unter anderem der CD-ROM Treiber, weswegen Acorn damals schnell eine Version 3.6 veröffentlichte. Die anschließende Version 3.7 war dann schon die letzte durch Acorn veröffentlichte Betriebssystemversion, bevor das Unternehmen umstrukturiert wurde.

Die 210 MB IDE Festplatte liegt unter dem freien 5,25″ Laufwerksschacht und wird mit einer Klammer im Gehäuse arretiert.

Da mein RiscPC nur mit Festplatte und einem 3,5″ Floppy ausgestattet ist, wäre es natürlich schön im freien 5,25″ Schacht ein CD-ROM Laufwerk nachzurüsten. Ich hab inzwischen herausgefunden, dass sich der CD-ROM Treiber auch unter der Version 3.5 von RISC OS leicht nachinstallieren lässt, wie auf folgender Seite erläutert wird: https://stardot.org.uk/forums/viewtopic.php?t=12951.

Von Vorteil ist, dass RISC OS von Haus aus auch MS-DOS formatierte Disketten unterstützt. Damit wird der Austausch von Dateien mit der DOS-/Windows-Welt sehr einfach. RISC OS dagegen formatiert 3,5″ HD Disketten mit dem eigenen Filesystem ADFS (Advanced Disc Filing System) und einer Kapazität von 1,6 MB und ist damit nicht mit dem IBM-PC kompatibel.

Bootscreen von RISC OS 3.50

Das Betriebssystem RISC OS wurde speziell für die Computer mit dem ARM Chip entwickelt. Bei den ersten Archimedes PCs 1987 handelte es jedoch noch um den Vorläufer Namens „Arthur“, was teilweise sogar in BBC BASIC geschrieben war und noch kein Multitasking unterstützte. Sein Nachfolger RISC OS wurde dagegen komplett in Assembler geschrieben. Das Betriebssystem wurde konsequent auf die Bedienung mit der grafischen Oberfläche (WIMP) und der Bedienung mit der Maus ausgerichtet. Besonderheit hier ist, dass eine 3-Tasten-Maus vorausgesetzt wird, weil die mittlere Taste das Kontext Menü bereitstellt. Das Betriebssystem wird bis heute weiterentwickelt und ist als RISC OS Open inzwischen sogar für den Raspberry Pi 400 verfügbar.

RISC OS ist für mich noch ziemliches Neuland. Aber es ist auf jeden Fall spannend hier tiefer einzusteigen, denn es gilt als sehr leistungsfähiges Betriebssystem. Daneben beinhaltet es auch den leistungsstarken BBC BASIC Interpreter und einige Tools zur Grafikbearbeitung und Textverarbeitung.

Fazit

Wie so oft im Leben bzw. in der Wirtschaft, setzt sich nicht immer das innovativere und bessere Produkt durch. Dies musste auch die Firma Acorn Computer schmerzlich erfahren. Letztlich war die IBM/Intel/Microsoft Übermacht zu groß, als das ein kleines Unternehmen aus Cambridge dem etwas auf Dauer entgegensetzen konnte. Trotzdem haben sie bewiesen, dass sie tolle Produkte auf den Markt bringen konnten. Auch wenn es Acorn Computer heute nicht mehr gibt, so hat zumindest der ARM Prozessor überlebt und einen einzigartigen Siegeszug angetreten. Das revolutionäre Design mit der Beschränkung aufs Wesentliche und damit verbunden eine wesentlich geringere Stromaufnahme machten überhaupt erst viele Gerätedesigns möglich, die für uns heute selbstverständlich und nicht mehr wegzudenken sind.

Deshalb bekommt auch mein Acorn Risc PC600 einen besonderen Platz in meiner Sammlung.

Der Risc PC600 kam im Originalkarton und sah (fast) unbenutzt aus. Tastatur, Maus und Handbücher waren sogar noch in der Folie verpackt.

Jedenfalls werde ich sicher noch einiges über den RiscPC und RISC OS berichten, sobald ich noch tiefer in die Marterie eingetaucht bin. Zuerst steht zum Beispiel der obligatorische Tausch der Setup Batterie an. Dann würde ich gerne auf RISC OS 3.7 upgraden und dem Computer mehr RAM und VRAM, sowie eine Netzwerkkarte verpassen. Und schließlich reizt mich die zweite Prozessorkarte für meine vorhandene 486DX CPU, um damit Windows 95 laufen zu lassen.

Inzwischen lege ich euch einen weiteren tollen Artikel über Acorn und den ARM Prozessor des Bloggers Andreas auf seiner Seite digitalesleben.blog ans Herz. Dort erfahrt ihr noch mehr über die Geschichte dieses einzigartigen Unternehmens: https://digitalesleben.blog/2022/06/21/acorn-arm-und-raspberry-pi-die-zukunft-kommt-aus-cambridge/#comment-1075

12 Gedanken zu „Acorn Risc PC600: „No RISC – No Fun!““

  1. Wow, großartiger Beitrag. Einige Erläuterungen fand ich super. Habe ich bisher so noch nie gefunden bei meinen Recherchen:
    „Durch den reduzierten Befehlssatz bleibt mehr Platz für Register, wodurch mehr schnelle Register zu Register Operationen möglich werden, anstatt langsamer Speicher zu Register.​“
    😀
    Das Video mit Sophie Wilson im centre for computing history kannte ich auch noch nicht. Danke fürs Zeigen.
    Und ich sehe, Du hast einen Raspberry Pi 400 mit deutscher Tastatur 😀
    Wahnsinn, das Video mit Roger Wilson. Ich bin beeindruckt, wie viel tolles Material es zu finden gibt.
    Beneidenswert, ein fast neuer RISC PC 600. Tolle Bilder.
    Diese Systeme waren so leistungsfähig und innovativ, dass es verwundert, warum sie sich nicht durchgesetzt haben.
    Aber wer zuletzt lacht: arm is everywhere 😉

    1. Hey danke für das große Lob! Mich begeistert die Geschichte um Acorn eben genauso wie dich. Das mit dem „Register zu Register“ habe ich übrigens hier gefunden: https://www.bernd-leitenberger.de/cisc-risc.shtml. Ich hab leider von Prozessortechnik wenig Ahnung, aber das was der dort schreibt erschien mir plausibel. Wenn du der Meinung bist, das ist quatsch, dann ändere ich den Part nochmal.
      Den Pi 400 hab ich bei ner Verlosung gewonnen. Ich hab mittlerweile von der ersten Generation bis zu den aktuellen Modellen fast alle Varianten des RPi. Ich finde die Idee dahinter einfach grandios. Ich wusste aber lange Zeit gar nicht, wie hier die Verbindungen zu Acorn sind. In der RPi Stiftung sitzen es ja z.B. auch Leute von Acorn.
      Man fragt sich häufig, warum sich eine tolle Technik nicht durchgesetzt hat, oder ein Unternehmen nicht überlebt hat. Letztlich regiert Geld die Welt! Was sollte eine kleine Firma wie Acorn gegen Intel, IBM & Co. ausrichten? Es ist zwar echt traurig, aber in diesem Fall hat zumindest das Herzstück überlebt und es der Welt gezeigt 😉 Wie du schon schriebst: arm is everywhere, bzw. no RISC no fun 😉

      1. Hallo. Schöner Artikel. Und natürlich Schöner Rechner. Insbesondere in dem tollen Erhaltungs-Zustand.

        Denk mal über das Tauschen des CMOS-Akkus nach. Der ist zwar optisch OK, aber deutlich besser einem kleinen Batteriehalter als „Rundakku“ aufgehoben, den man dort anlötet, wo der alte war, den man mit einem Seitenschneider abschneidet (oben), wodurch man die verbleibenden Beinchen direkt als Anlötpunkte nutzen kann und gar nicht in der Platine rumlöten muß – das neue Akkupack paßt i.a. bestens in die kleine Vertiefung direkt vorn hinter der Front.
        Auf jeden Fall sollte man auf den Akku einen Blick haben, wenn man schon das Orginal drinlassen will.

        Und: Wenn Du schon einen RPi 400 hast, dann probier doch unbedingt mal, ob Du nicht evtl. mit RISCOS dort drauf warm wirst. Laden kann man das bei ROOL.
        Das ist immerhin die aktuellste Maschine für das OS und damit quasi soetwas wie der aktuelle legitime Nachfolger der RiscPC. Und VIEL schneller. Gibt auch immer noch schöne Software dafür.

        VG.

        1. Hallo Sebastian, danke für das Lob und den Hinweis. Den Akku hab ich natürlich als erstes getauscht, denn das mache ich grundsätzlich bei meinen Sammelobjekten. Ich hab es tatsächlich mit einem Batteriehalter und einem Enerloop Akku gelöst, der in einer Lücke im Gehäuse angebracht ist.
          RISCOS habe ich auch schon auf dem Rpi-Desktop ausprobiert, aber tatsächlich noch nicht viel damit gemacht. Da bringst du mich gerade wieder darauf, dass ich mich doch mal wieder damit beschäftigen sollte 😉

  2. Vielen Dank für den tollen Bericht.
    Als Sinclair Einsteiger und hoffentlich bald ausgeliefertem Next bin ich über die Enthusiasten beeindruckt.
    Leider hat sich das Wintel-Monopol durchgesetzt. Die Vielfältigkeit der ersten Jahre ist auf der Strecke geblieben.

    1. Danke für das Feedback. Der britische Markt war dann wohl doch zu klein, um der großen Übermacht aus den USA was entgegenzusetzen. Und Europa bzw. die EU hat bis heute noch keine gemeinsame Strategie, um eigenes Knowhow zu fördern, um dem etwas entgegenzusetzen. Allerdings ist ARM dann auch wieder ein spezielles Beispiel was beweist, dass sich die bessere Technologie am Ende doch durchsetzen kann. Traurig nur, dass es dazu dann wieder ein amerikanisches Unternehmen wie Apple braucht …

      1. Ehrlicherweise muß man aber auch sagen, daß gerade Acorn – aus welchen Gründen auch immer – gerade den europäischen Bereich ziemlich „nicht gesehen“ hat und auch laaange nicht bedient. Die haben sich rührend um ihre alten Kolonien gekümmert (NewZealand, Australia) und haben davon geträumt den Markt in USA zu überrollen, aber auf die einfache Überlegnung, daß es direkt nebenan evtl. Bereiche geben könnte, wo Leute auf solche System geradezu warten – darauf sind sie nicht gekommen. Die gesamte User Base in Deutschland und Frankreich und so weiter besteht/bestand i.P. aus Leuten, die man nur als Enthusiasten und manchmal auch „Jünger“ bezeichnen konnte. Also Leute, die den Rechner unbedingt haben wollten. Aber es gab kaum einen Massenmarkt und auch wenig Anstrengungen seitens der Briten irgendwie da beteiligt zu sein. Nur ca. 1 Jahr lang gab es mal soetwas wie eine Firmenvertretung in Deutschland – kurz bevor die ARM250 Maschinen kamen. Das hat auch für ein klein wenig mehr Verbreitung gesorgt, auch Dank einiger Werbung. Das Ganze wurde aber schnell wieder zurückgenommen und nach dem Vorstellen des RiscPC wurde es dann ziemlich schnell, ziemlich still. Daß es überhaupt sowas wie einen „Mini-Markt“ für solche Geräte in Deutschland gab, ist eigentlich vor allem vielen kleinen und eingen sehr aktiven Händlern zu verdanken, außerdem dem Archimedes Magazin vom M&T Verlag und evtl. auch noch der (gekauften???) Preisverleihung des Chip Awards für den RiscPC. Außerdem haben natürlich die Geräte für sich gesprochen – und mit der passenden Software, waren die für bestimmte Anwendungen auch weit, weit von dem normalen PC Mainstream entfernt. Stichwort DTP, Bildmanipulation, in Grenzen auch Musik (Sibelius). Und außerdem waren zumindest die späteren Archimedes auch ein echter „Codertraum“ (die Erstausgaben waren (1987) dafür einfach zu teuer). Wahrscheinlich hätten sie mit ein bißchen mehr Wissen und Bemühen eine große Menge der ehemaligen Atari ST und Amiga User der pleite gehenden Firmen Atari und Commodore direkt übernehmen können.

        Besonders interessant ist dieses komplette (bis evtl auf die Niederlande) Negieren des Festlandes auch darum, weil Acorn da schon lange keine eigenständige kleine Firma war, sonder in großen Teilen zu Olivetti gehörte. Und die hätten sich ja mit dem Festland ein wenig besser auskennen sollen.

        Kurz: es ist schade, weil da ein tolles System komplett unter den Möglichkeiten blieb. So gesehen ist der Vergleich mit BeBox und BeOS vmtl gar nicht so schlecht. Wer weiß, was passiert wäre, wenn BeOS das neue MacOS geworden wäre – vielleicht hätten wir heute schon Datenbrillen und perfekt multithreadende Software.

        1. Hallo Sebastian, das ist eine interessante Perspektive, die du aufwirfst. Du scheinst dich in der „Szene“ gut auszukennen und beschäftigst dich wohl schon länger mit Acorn, ARM, RISCOS?
          Es ist halt einfach nur schade, wie durch falsches Marketing gute Produkte oft nicht Fuß fassen können. Man kann es zwar den Engländern historisch gesehen nicht verdenken, dass sie zuerst über den großen Teich schauen, bevor sie das europäische Festland ins Auge fassen, aber spätestens Olivetti, immerhin damals einer der größten Computerhersteller in Europa, hätte der Game-Changer werden müssen. Aber man sah ja bereits bei der Übernahme der PC-Sparte von TA durch Olivetti, dass die Italiener offensichtlich an einem Erfolg des Zukaufs nicht besonders interessiert waren. Ich bin mir sicher, dass die ARM Technik und RISCOS oder BeOS eine echte Alternative zu den amerikanischen Produkten hätten darstellen können. Und es hätte außerdem dem Selbstbewusstsein der Europa Politik gut getan. Man sieht ja leider heute was einseitige Abhängigkeiten auslösen können.

    1. Schön, dass dir der Artikel gefallen hat. Ja, da gibt es noch so einige Beispiele in der Geschichte der IT, wo eigentlich tolle Produkte wieder verschwunden sind. Gerade kleine Newcomer hatten und haben es schwer sich gegen die übermächtigen großen Player durchzusetzen. Das bremst Innovationen oft aus. Ich gestehe, ich hab BeOS nie ausprobiert. Aber wenn man das auch in deinem verlinkten Demo sieht, wie leistungsfähig das Betriebssystem war, dann ist das schon traurig. Ich erinnere mich an die Zeiten mit Windows 95/98 nur zu gut zurück: Die Bluescreens, die Ruckler, das sehr begrenzte „Multitasking“, die Trägheit…. oh Mann! Was haben wir dem Unternehmen für Geld in den Rachen geschmissen für so viel Schrott 😉

      1. Wenn man bedenkt, dass viele mit der 48 KB oder 64 KB Begrenzung das Programmieren gelernt haben, sind es diese Programmierer die BE geschaffen haben oder auch Amiga OS, etc. Ich frage mich heute, was Unternehmen mit mehreren tausend Programmierern schaffen.
        Auf der anderen Seite wird aktuell gezeigt, was auf „alten Maschinen“ an Software möglich ist

        1. Ja, das stimmt schon. Heute liegt der Focus kaum noch darauf möglichst Ressourcen schonend zu programmieren. Moderne Programmiersprachen, wie z.B. Java machen es einem auch nicht gerade leicht sparsamen Code zu schreiben.

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